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13. Mai 2025

Das muss sich beim SPNV für den Klimaschutz ändern

Neue Schienen, bessere Vernetzung, mehr Daten: Die Ansätze zur Verbesserung der Infrastruktur im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) sind vielfältig. Das Wuppertal Institut hat insgesamt 39 Handlungsempfehlungen ausgearbeitet, die zur Verbesserung auf der Schiene beitragen würden. Einige haben wir herausgestellt.

Handlungsempfehlungen

Der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in Nordrhein-Westfalen ist für den Klimaschutz unabdingbar. Die Potenzialabschätzungen für das Zielnetz 2040 haben gezeigt, welchen deutlichen Beitrag er zur Reduktion von CO2-Emissionen leisten kann. Doch um das ambitionierte Ziel der Treibhausgasneutralität in NRW bis 2045 zu erreichen, stehen noch große Herausforderungen bevor. Was müssen Eisenbahnverkehrsunternehmen, Politik und Nahverkehrsakteure tun, um den Weg hin zu mehr Klimaschutz zu ermöglichen? Die Forschenden des Wuppertal Instituts haben wesentliche Handlungsempfehlungen zur weiteren Optimierung des Klimaschutzbeitrags durch den SPNV zusammengestellt. Einige wichtige Punkte werden hier herausgestellt:

Umsetzung beschleunigen

Das Zielnetz 2040 hat das Potenzial, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor maßgeblich zu senken. Um dies zu realisieren, muss die Umsetzung jedoch deutlich beschleunigt werden. Derzeit laufen Genehmigungs- und Bauverfahren zu langsam, um das Klimaziel fristgerecht zu erreichen.

Doch wie kann das gelingen? Für die Forschenden des Wuppertal Instituts ist klar, dass 

  • bestehende Gesetze genutzt werden müssen, um Genehmigungsverfahren und den Ausbau selbst zu beschleunigen und die Finanzierung von Maßnahmen zu vereinfachen.
  • mehr Personal bei Genehmigungsbehörden und der Justiz benötigt wird, um die Verwaltungsabläufe zu optimieren.
  • Projekte mit hohem CO2-Einsparpotenzial zuerst umgesetzt werden sollten.
  • der Ausbau des Zielnetzes gegenüber dem Ausbau von Straßennetzen priorisiert werden sollte, um Kapazitäten optimal einzusetzen.

Zuverlässigkeit

Die Zuverlässigkeit ist ein entscheidender Faktor für die Attraktivität des SPNVs. Häufige Verspätungen und Ausfälle aufgrund von Baumaßnahmen und Personalmangel beeinträchtigen den Betrieb erheblich. Um den SPNV als verlässliches Verkehrsmittel zu etablieren, sind betriebliche und infrastrukturelle Verbesserungen notwendig.

Was muss sich dafür ändern? Hier meinen die Expert*innen, dass

  • Baumaßnahmen durch die verstärkte Nutzung von Nachtbaustellen optimiert werden müssen und eine bessere Abstimmung auf die Verkehrsnachfrage erforderlich ist.
  • Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Qualität bei den Vergaben im SPNV stärker gewichtet werden müssen.
  • durch die Anpassung von Fahrplänen, Vermeidung von Überholungen und effizienteres Ein- und Austeigen der Bahnverkehr optimiert werden kann.
  • landesweite Personalpools dabei helfen können, Engpässe zu vermeiden, um Ausfälle zu reduzieren.

„Alle Menschen, die den SPNV nutzen, wissen: Wenn der Bahnverkehr funktioniert, ist er eine komfortable Alternative zum Auto. Allerdings gibt es heute noch viele Baustellen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne, die einem zuverlässigen und ausreichend großen Verkehrsangebot im Wege stehen. Es ist daher wichtig, für einen zuverlässigen SPNV zu sorgen und die Maßnahmen des Zielnetzes noch schneller umzusetzen.“

Thorsten Koska

Wuppertal Institut, Forschungsbereich Mobilität und Verkehrspolitik

Ausbau

Ein umfassender Ausbau des Schienennetzes ist entscheidend, um größere Verlagerungseffekte vom motorisierten Individualverkehr (MIV) auf die Schiene zu erzielen. Die bisher geplanten Maßnahmen des Zielnetzes 2040 sollten durch zusätzliche Streckenreaktivierungen und Neubaustrecken ergänzt werden.

Die Forschenden des Wuppertal Instituts sprechen sich dafür aus, dass

  • über die Reaktivierungen von Strecken im Zielnetz weitere Regionen erschlossen werden.
  • in Regionen ohne reaktivierbare Strecken neue Bahnstrecken gebaut werden.
  • bereits heute stark genutzte SPNV-Strecken mehrgleisig ausgebaut werden, um ein stärkeres Wachstum der Nachfrage bedienen zu können.

Stärkung des ÖPNV

Um das gesamte Mobilitätssystem attraktiver zu machen, muss neben dem Schienenverkehr auch der Öffentliche Personennahverkehrs (ÖPNV) insgesamt gestärkt werden.

Die Empfehlungen hierfür sind, dass

  • regionale Bus- und Schnellbuslinien ausgebaut und besser mit dem SPNV verknüpft werden.
  • das Angebot im ÖPNV in städtischen und ländlichen Räumen erweitert wird - je nach Bedarf durch neue Linien, dichtere Taktung sowie zusätzlicher Kapazitäten.
  • On-Demand-Angebote und flexible Verkehrsmittel zur Ergänzung des ÖPNVs besonders in ländlichen Regionen und Stadtrandgebieten gefördert werden.
  • die Verlässlichkeit und die Qualität des ÖPNVs durch mehr Personal, zuverlässigere Fahrgastinformationen und bessere Haltestellenausstattung gestärkt wird.

Intermodalität

Intermodale Wege verknüpfen mehrere Verkehrsmittel. Diese Verknüpfungen des SPNVs mit anderen  Verkehrsmitteln wie Sharing-Angeboten und dem Radverkehr ist wichtig, um die Einzugsbereiche der Bahnhöfe zu erweitern.

Hier gilt es, dass

  • intermodale Mobilstationen als Knotenpunkte für verschiedene Mobilitätsangebote ausgebaut und der Bau von Fahrrad-Abstellanlagen an Bahnhöfen gefördert werden.
  • digitale "Mobility as a Service" (MaaS)-Plattformen eingeführt werden, die Echtzeit-Auskünfte und Buchungsmöglichkeiten für eine Vielzahl von Mobilitätsangeboten übergreifend verbinden.

Finanzierung

Das Deutschlandticket hat gezeigt, dass einfache und klar verständliche Tarifsysteme das Mobilitätsverhalten positiv beeinflussen. Es ist wichtig, diese Entwicklung langfristig zu sichern und weiter auszubauen.

Die Expert*innen plädieren dafür, dass 

  • das Deutschlandticket durch mehrjährige Vereinbarungen von Bund und Ländern finanziell sichergestellt wird.
  • ein gemeinsames Tarifsystem für den Nah- und Regionalverkehr in NRW geschaffen wird.

Datenerhebung

Für eine bessere Steuerung und Optimierung des SPNVs sind flächendeckend aktuelle Daten zur Nutzung und Nachfrage erforderlich.

Die Forschenden des Wuppertal Instituts schlagen vor,

  • landesweit einheitliche Standards zur Erhebung von Fahrgastdaten einzuführen.
  • neuen Technologien wie optischen Zählsystemen, Mobilfunk- und App-Daten automatisierte Erhebungsverfahren zu ermöglichen.

Um den Klimaschutzbeitrag des SPNVs in NRW weiter zu steigern, sollten den Expert*innen zufolge möglichst viele dieser Maßnahmen konsequent umgesetzt werden. Durch schnelle, effektive und gut koordinierte Schritte kann der SPNV einen über das Maß der Potenzialabschätzung errechneten Beitrag zur Treibhausgasneutralität bis 2045 leisten.

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Quellen

SPNV Klimabilanz NRW 2023 (Wuppertal Institut)